"An Tagen wie diesen..." schallt es jeden Morgen zur Einstimmung aus den Lautsprechern im Startbereich. Und was für ein Tag es heute war!
Nachdem wir gestern abend nicht wie geplant im Hotel Paré, sondern aufgrund einer dort wohnenden "zu lauten" (O-Ton von der Rezeption) Jugendgruppe in das nebenan gelegene Hotel Intermonti umgebucht worden waren, begaben wir uns zum Frühstück mit italienischem Platzanweiser. Buon giorno!
Schon mit den ersten Schritten heute früh wurde mir klar: das wird ein harter Tag. Beide Knie schmerzten, was sich folglich auch im ersten langen Anstieg bemerkbar machte. Ich fiel immer weiter zurück, wurde ständig überholt und kämpfte mich Tritt für Tritt hinauf auf die Passhöhe. Kurz vor dem Pass entdeckte ich eine Serpentine unter mir den nahenden Besenwagen. Oh nein!!
So ging es hinein in die Abfahrt, der Wärme entgegen. Im Tal die warmen Klamotten ausgezogen und weiter ging die Fahrt gemeinsam mit Andreas sowie anderen Leidensgenossen in Richtung Verpflegungszone am Fuße des Passo del Mortirolo. Da nach wie vor jeder Tritt eine echte Überwindung darstellte, war ich glücklich, dort das Rescue Team anzutreffen. So ging es direkt zur Ärztin und hinein zur Untersuchung in den Rettungswagen. So wie es schien, war ich nicht der einzige Patient mit den gleichen Beschwerden während der bisherigen Tour... Versorgt wurde ich mit einem Schmerzmittel, was eine erstaunliche Wirkung zeigte. Nach gut 15 Minuten spürte ich am Knie nichts mehr!
Nun aber stand der Mortirolo vor uns – oder besser: über uns. Denn dieser Pass ist so dermaßen steil, dass ich irgendwo mittendrin kapitulieren musste und mein Rad zu Fuß den Berg hochschob. Schritt für Schritt. 8 Kilometer lang. Ohne Radschuhe!
Und wie schon am Tag zuvor hatte ich sehr nette israelische Begleitung. Tzvika, 59 Jahre alt, früher Radrennfahrer und lange Zeit Mitglied der Special Forces in der israelischen Armee, ging mit mir den langen Weg hinauf... Kämpfen kann er ja!
Kurz vor der Passhöhe wurde es flacher, und so erreichte ich fahrend die Spitze. Andreas war schon voraus gefahren und hatte eine Weile bei der nächsten Verpflegungszone gewartet. Schießlich fuhr er aber weiter dem Ziel entgegen, um nicht völlig auszukühlen. Meine Tablette entfaltete seine weitere Wirkung und so konnte ich mich von der kleinen Gruppe, die sich oben gebildet hatte, lösen und fuhr alleine die lange, waldreiche und sehr schöne Abfahrt hinunter. Unten angekommen, folgte noch ein Schlußanstieg von 6 Kilometer Länge. Anscheinend setzt das Schmerzmittel noch nachträglich Adrenalin frei, denn anders kann ich mir nicht erklären, wieso ich auf einmal statt mit 8-9 km/h nun mit 13 km/h dem Ziel entgegen fuhr. Sogar ein Schlußsprint war noch drin...
Nach 8 Stunden und 35 Minuten war ich im Ziel. Andreas folgte kurz danach, da ich ihn im Adrenalinrausch noch überholte. Er hatte noch eine Radlerin technisch und moralisch unterstützt und hätte eigentlich schon längst im Ziel sein können. Hut ab, das machen längst nicht alle!
Hier in Aprica wurden unsere Taschen leider aufgrund der Entfernung des Hotels nicht dorthin geliefert. Eine nette Mitarbeiterin von Valtellina Turismo organisierte spontan den Transport und so fuhr uns Carlo, der Hotelbesitzer, in italienischer Fahrweise hinauf ins Hotel Paradiso. In 1800 Meter Höhe gelegen, wurde für uns ein leckeres Essen in der gemütlichen rustikalen Gaststube neben dem warmen Ofen angedeckt. Es gab Pasta, Salat, italienische Wurst als Vorspeise und zum Schluss verschiedene lokale Käsesorten mit einer großen Pfanne Bohnen sowie als Abschluß einen Marillenschnaps...
Die Kommunikation war sehr lustig, denn Carlo sprach nur italienisch, seine Frau ebenso. Nur die Tochter konnte ab und zu mit einer englischen Übersetzung helfen. Ansonsten musste mein Urlaubsitalienisch herhalten. Vogliate lasciare questo posto nello stati in cui lo vorreste trovare. Grazie! Oder so ähnlich...
Da es hier zur Zeit kein Internet gibt, veröffentliche ich diesen Artikel erst in Kaltern, unserem nächsten Ort. Somit also einen Tag später als gewohnt.
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Die Daten von heute:
Strecke: 120,67 km
Reine Fahrzeit: 07:22:33 Std.
Durchschnitt: 16,35 km/h
Höhenmeter: 2878
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