Alpenbrevet Gold – Rennbericht

Alpenbrevet – We did it!

Das war das Motto der diesjährigen Austragung des Radmarathons "Alpenbrevet" in den Schweizer Alpen. Nachdem ich im letzten Jahr die Silber-Tour gefahren bin, habe ich mich dieses Jahr für die Gold-Tour entschieden. So standen nicht mehr drei, sondern vier Alpenpässe auf dem Programm...

Gemeinsam mit Robert, Michael und Frank-Peter reisten wir am Freitag vor dem Rennen an und übernachteten in Thun, was etwa 45 Minuten mit dem Auto vom Start entfernt liegt. Durch die regnerische Anreise war eine längere Putzaktion an den Rädern nötig geworden, was aber unter Zuhilfenahme von Feuchttüchern (perfekt zum Reinigen!) und mit Blick auf die Eiger Nordwand nicht das Schlechteste war.

Fröhliches Putzen

Mit dem aufgehenden Mond beendeten wir unsere Vorbereitungen und waren gespannt auf den morgigen Tag. Dieser versprach viel Sonne, über 30 Grad und eventuell einzelne Gewitter am Abend. Doch dann wollten wir eigentlich schon längst im Ziel sein...

6:45 Uhr in Meiringen

Die Startaufstellung beim Alpenbrevet ist angenehm unaufgeregt. Dadurch, dass es keine offizielle Rangliste gibt, kann man sich ganz entspannt in einem Startblock seiner Wahl aufstellen. Lediglich die eigene Einordnung in den entsprechenden Geschwindigkeitsbereich gilt es realistisch einzuschätzen. Folglich reihten wir uns recht weit hinten ein – wohl wissend, dass das Feld am folgenden Pass sowieso neu gemischt wird.

Pünktlich um viertel vor sieben fiel der Startschuss und wenige Minuten danach setzte sich der Lindwurm aus fast 2500 Rennradlern in Bewegung. Es ging aus Meiringen heraus an der Aareschlucht vorbei und dann ab Innertkirchen direkt in den ersten Anstieg, den Grimselpass. Sobald die Straße ansteigt ist es mit den lauten Gesprächen im Fahrerfeld vorbei und jeder konzentriert sich auf seinen eigenen Rhythmus, den es günstigerweise bis zur Passhöhe zu halten gilt.

Ca. zwei Stunden später waren wir oben und ich durfte nach dem Nebel des letzten Jahres den Grimselpass bei Sonnenschein genießen. Aufgrund der schon recht hohen Temperaturen herrschte an der Wasserausgabe großes Gedränge. Seltsamerweise fallen meist Teilnehmer aus Deutschland mit Drängelei und Gefluche auf...
Untermalt von der Musik zweier Alphornbläser füllten wir unsere Speicher, Trinkflaschen und Trikottaschen auf und begaben uns auf die Abfahrt nach Gletsch.


Auf dem Grimselpass mit Alphornbläsern

Anstehen für volle Trinkflaschen am Grimselpass

Neue Wege – Go for Gold!

Mit dem Erreichen des Ortes Gletsch begann für mich ein noch unbekannter Streckenabschnitt. Auf dem oberen Foto ging es letztes Jahr im Tal nach links Richtung Furkapass, dieses Jahr nach rechts zum Nufenenpass, italienisch Passo della Novena. Die Abfahrt war schön und wurde lediglich durch eine querende Dampfeisenbahn sowie durch eine Baustelle gebremst. Ich erfuhr mir in der Abfahrt den Anschluss an eine kleine Gruppe, mit der ich bis zum Einstieg in den Nufenenpass fuhr. Micha war schon ein paar Minuten voraus und Robert und Frank-Peter folgten kurz nach mir.

Schon nach wenigen Metern im Anstieg merkte ich, dass mir das gute Gefühl in den Beinen während des ersten Passes nicht mehr gesonnen war. So kam es, dass sich zwischen den vorne fahrenden Micha und Robert sowie mir und Frank-Peter eine immer größer werdende Lücke auftat.

Dieser Pass bietet auf 14 Kilometern so gut wie keine Erholungsmöglichkeit. Nach anfangs steilen Serpentinen zieht sich die Straße mit nur einer nennenswerten Kurve endlos an einem Felshang entlang, um dann zum Finale nochmals in mehreren Kurven anzusteigen. Bis zu diesen Serpentinen konnte ich mich noch vor, neben und hinter Frank-Peter halten. In der drittletzten Serpentine musste ich einfach kurz anhalten, Luft schnappen und einen Powerbar "Power Shot mit Koffein" essen. Das tat gut! Weiter hinauf und dann war sie erreicht, die Passhöhe auf 2478 Metern.

An der Verpflegungsstelle traf ich den Rest unseres Teams wieder. Micha hatte sich schon in die Abfahrt verabschiedet – ihn sollten wir erst im Ziel wiedertreffen. Wir gönnten uns eine etwas längere Pause und genossen die Sonne. 

Robert und ich auf dem Nufenenpass

Die folgende Abfahrt fuhr sich gut, lediglich die Quer- und Längsrillen zwischen den Betonplatten störten ein wenig. In rauschender Fahrt ging es hinab in Tessin, genauer ins Val Bedretto. Wir erreichten nach 20 Kilometern den Ort Airolo, der sicher dem ein oder anderen Italienurlauber als Endpunkt des Gotthardpasses und -tunnels bekannt ist. Hier treffen in einem sehr kleinen Ort der erwähnte Autobahntunnel, der Eisenbahntunnel, der neuere Pass sowie die alte Passstraße mit dem Namen "Tremola" aufeinander. Wenn man Beton mag, bieten sich spektakuläre Blicke auf alpine Straßenbaukunst in luftiger Höhe.

Das Thermometer zeigte mittlerweile 35 Grad im Tal an.Genau die richtige Temperatur, um sich der dritten Herausforderung des Tages zu stellen: dem historischen Gotthardpass!

Kopfsteine und Kopfdusche

Schon wenige Meter nach der Verpflegungsstelle ging es wieder hinein in den Anstieg. In den ersten Kurven unter- und überquerten wir die am gleichen Berghang verlaufende neue Straße, die im Gegensatz zu unserer Route der Jahreszeit entsprechend stark befahren war. Einige Serpentinen später war dann vollkommene Ruhe. Das gefürchtete Kopfsteinpflaster fuhr sich nach meinem Befinden viel angenehmer als gedacht. Anfänglich nur aus einzelnen Abschnitten bestehend, wechselte der Belag weiter oben im Pass dann komplett auf Steine. Hier war es auch, dass ich am linken Straßenrand einen kleinen tropfenden Rinnsal aus Felswasser entdeckte und kurzerhand eine teaminterne Duschaktion anordnete...

Kopfdusche mit Felswasser. Der Motor braucht Kühlung!



Gotthardpass, Via Tremola. Von unten...
... und von oben gesehen. Spektakulär!



Im Anstieg des Gotthardpasses. © Alphafoto.com

Nachdem unsere "Motoren" wieder gekühlt waren, lief es am Pass auch wieder deutlich runder. Kontinuierlich arbeiteten wir uns an zwei Läufer heran, die tatsächlich hier hinauf joggten. Und das nicht gerade langsam! Gegen 15 Uhr erreichten wir die Passhöhe auf 2106 m Höhe. Auch hier war es noch über 30 Grad warm, was uns zu einer kleinen Abkühlung in einem See animierte.

Bergidylle am Gotthardpass


Auf der folgenden Abfahrt konnte ich meine durch die Transalp angeeigneten und verbesserten Abfahrtsfähigkeiten anwenden und ließ es demnach gut rollen. Die Kurven waren alle sehr weit und einsehbar. Bis nach Andermatt zur nächsten Verpflegungsstelle konnte ich das Tempo hoch halten und mich auf die nächste Erfrischung freuen. Ab hier war, wie schon im letzten Jahr, der Streckenabschnitt durch die Schöllenenschlucht aufgrund einer Dauerbaustelle neutralisiert. Dies bedeutet, dass der Abschnitt nicht auf die Gesamtzeit angerechnet wird. Die nach wie vor hohen Temperaturen und die Aussicht auf die letzte schwere Prüfung in Form des Sustenpasses sorgten dafür, dass wir auch hier eine Pause einlegten.

36 Grad und es wird hoch heißer...

Nachdem wir uns durch die lange Baustelle gequält hatten und nach einer kurzen Abfahrt den Ort Wassen erreichten, stand nun der letzte Anstieg des Tages bevor. Wir waren nun bereits 120 Kilometer unterwegs und hatten dabei 3500 Höhenmeter bewältigt...

Vom letzten Jahr wusste ich, was auf mich zukam. Denn der Sustenpass bietet auf seiner Länge von knapp 18 Kilometern so manchen Moment der Verzweiflung, wann dieser Anstieg denn endlich endet! Frank-Peter führte Robert und mich mustergültig in den Pass hinein, wie auf folgendem Foto zu erkennen ist:

Kurze Schattenphase. Frank-Peter in der Führung. © Alphafoto.com


An diesem Anstieg war die Hitze mittlerweile so hoch, dass wir uns eine kleine Pause im Schatten gönnten. Von dort aus starteten wir wieder durch bis an der rechten Fahrbahnseite endlich ein Brunnen mit frischem Wasser auftauchte. Ab dieser erneuten Dusche erlebte ich meinen zweiten Frühling, fuhr auf einmal deutlich schneller den Pass hoch und hatte dann an der Passhöhe einige Sekunden herausgefahren. Die Abendsonne, es war nun gegen 18:30 Uhr, tauchte die Szenerie in ein deutlich angenehmeres Licht als beim 1 Grad kalten Nebel vom letzten Jahr. Wir verabredeten, im ersten Ort am Ende der Abfahrt aufeinander zu warten.

Traumhafte Abfahrt im Geschwindigkeitsrausch

Was folgte, war die mit Abstand genialste Abfahrt, die ich bisher gefahren bin. Kurzer Eindruck gefällig? Bitteschön:

In der Abendsonne am Sustenpass. © Alphafoto.com



Durch die fortgeschrittene Uhrzeit war die Straße fast autofrei. Gepaart mit dem Licht der tief stehenden Sonne und der Aussicht auf die Bergwelt und das nahende Ziel fuhr ich die 27 Kilometer lange Abfahrt mit einem Schnitt von 50 km/h... Dabei kämpfte ich mich Kurve um Kurve an einen voraus fahrenden Fahrer von der längeren Platinrunde heran. Nachdem ich mich ein kurzes Stück in seinen Windschatten geklemmt hatte, wechselte ich nach vorne und gab etwas vom Windschatten zurück. So fuhren wir gemeinsam weiter durch Innertkirchen bis in den letzten kleinen Hügel vor dem Ziel. Hier scherte ich aus und wartete auf Robert und Frank-Peter, die wenig später eintrafen.

Von hier waren es nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel, welches ich nach einer Fahrzeit von 10:21 Stunden netto sowie 11:55 Stunden brutto erreichte. Es reichte noch für einen kleinen Zielsprint, wozu sicher auch der Moderator beitrug. Denn über die Lautsprecher hörte ich meine Startnummer nebst Namen in der Durchsage. Man glaubt gar nicht, was das noch an Energien freisetzen kann!

Endlich ein Alpenrennen bei Sonne

Was für ein tolles Erlebnis! So muss ein Alpenrennen sein: sonnig, trocken, Höhen und Tiefen in den Anstiegen, Teampartner die warten, falls es mal nicht so läuft und mit denen man all die Erlebnisse auf und neben der Strecke teilen kann. Selbst nach über einer Woche nach dem Rennen gerät man immer noch ins Schwärmen!

Unser Teamergebnis im Detail

Köhler, Michael (GER): 10:05:56
Hoyer, Finn (GER): 11:55:50
Tittmann, Robert (GER): 11:57:56
Reich, Frank-Peter (GER): 11:58:03

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